Wie
ein Krankenhauschef das Schicksal eines ermordeten Augsburger Jungen
aufdeckt - Die Geschichte zum Kinofilm "Nebel im August"
Ohne
Michael von Cranach hätte die Geschichte von Ernst Lossa nie
irgendjemand erfahren. Aber 1980 steigt der damalige Leiter des
Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren runter in den Keller, um im Archiv
über die Vergangenheit des Hauses zu forschen – eine düstere,
schaurige Vergangenheit, wie er schnell merkt: „Schon in den ersten
Tagen wurde mir klar: Hier muss etwas Schlimmes passiert sein. Die
Atmosphäre war düster und grau. Die Haltung der Ärzte war
unvorstellbar distanziert, die Lebenssituation der Patienten
grauenvoll: Viele waren fixiert in großen Sälen, überall
geschlossene Stationen.“
Fast
300.000 Opfer
Menschen,
die anders waren, aus Sicht der Nationalsozialisten minderwertig,
wurden im Dritten Reich umgebracht. Insgesamt fast 300.000 Menschen,
auch in Kaufbeuren wurde gemordet. Unter den Opfern war auch ein 14
Jahre alter Junge, Ernst Lossa. Geboren in Augsburg. Sein Schicksal
lässt von Cranach nicht mehr los. „Als ich das Foto sah, war ich
sehr beeindruckt. Ich klappte die Krankengeschichte auf und sah das
Foto, auf dem uns der Bub so wissend und tiefgründig anschaut, so
dass ich angefangen habe zu recherchieren.“
Fragen
von damals sind aktueller denn je
Lossa,
kurzgeschorene Haare, Lausbuben-Blick. Er stammt aus einer Familie
von Jenischen, die von den Nazis als Zigeunerplage verfolgt wurden.
Zwei Kinderheime wurden mit dem aufsässigen Ernst nicht fertig, er
wurde nach Kaufbeuren abgeschoben. Das war sein Todesurteil.
Filmproduzent
Ulrich Limmer hat Ernst Lossa jetzt auf die Kinoleinwand gebracht,
nachdem er jahrelang dafür gekämpft hatte. Denn: Die Fragen von
damals sind heute wieder aktueller denn je, so Limmer: „Gibt es
jemanden, der es sich erlauben kann zu sagen 'Der ist unwürdig zu
leben oder der darf hier nicht leben'? Oder er ist andersfarbig oder
denkt anders und wird deshalb an den Rand der Gesellschaft gedrängt
und letztlich auch ermordet. Das hat erschreckenderweise an
Aktualität in keiner Weise verloren.“ Es ist der erste Kinofilm
zum Thema „Euthanasie“ überhaupt. Die Vorlage lieferte der Bestseller von Robert Domes, der den Stoff zu einem Roman verarbeitet hatte.
Sogar
nach Kriegsende wurden in Kaufbeuren noch fast zwei Monate lang
Menschen getötet. Nach 1945 gab es keine Zäsur. Wenige Täter
wurden zu harmlosen Strafen verurteilt, der Großteil der Schwestern
und Ärzte blieb und arbeitete jahrelang unbehelligt weiter in den
Kliniken.